Philosophie aus sich heraus.
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Überall Chaos

Überall Chaos

Am 11.07.2019 erschien in DIE ZEIT der Artikel von Ingo Malcher und Claas Tatje. Sie berichten über Chaos auf den Flughäfen, in Werkstätten, Autobahnen, Speditionen und in Automobilfirmen. Dann keine Alternative auf der Schiene, das darf doch nicht wahr sein - nur lese erst mal.

Hier der Artikel, von mir farblich schon etwas unterschieden:

Hauptsache, billig – weil Staat und Unternehmen an den falschen Stellen sparen, wird jede kleine Störung zum großen Problem.

von Ingo Malcher und Claas Tatje. (blau = meine Ergänzungen oder Kommentare)

 

Flughafen Bremen, 15. Mai, kurz vor 6 Uhr morgens. Ein Fluglotse meldet sich krank. Im Tower sitzen plötzlich nicht genug Mitarbeiter, um die Maschinen einzuweisen. Weil es keinen Ersatz gibt, muss der Flughafen für eine Stunde geschlossen werden. Fünf Maschinen können nicht starten.

Die verlorenen Minuten schleppen die Crews von nun an durch den Tag.

Aachen, eine große Autowerkstatt, 2. Mai. Nach einem Unfall gibt Helga Hermanns ihren Seat Arona ab, um ihn reparieren zu lassen. Aber »es fehlen Ersatzteile, seit Wochen werde ich vertröstet«, sagt die Besitzerin. Just-in-time wegen versteuertem Lager (Nr. 82 vom 11.07.2008)

 

Autohäuser lagern kaum noch Ersatzteile für Reparaturen, viele Wagen bleiben stehen.

Die A 6 bei Neckarsulm, 28. Juni, kurz nach 16 Uhr. Ein Lastwagen steht vor einer Baustelle im Stau. Beim Spediteur Horst Kottmeyer klingelt das Telefon. Der Fahrer meldet dem Chef, dass er die vereinbarte Lieferzeit beim nur wenige Kilometer entfernten Automobilwerk AUDI nicht einhalten könne.

Dieser Tag ist ein Freitag. Am Ende wird der Laster erst am Montagmorgen entladen.

Drei Beispiele, drei Probleme, eine Gemeinsamkeit. Kostenbewusste Unternehmen wollen Jahr für Jahr effizienter werden, also mit weniger Einsatz mehr erreichen. Doch oft passiert das Gegenteil, weil selbst banale Probleme schwerwiegende Folgen haben. Eine Krankmeldung, ein fehlendes Lager, ein Stau können zu unnötigen Kosten und viel Ärger führen. Dann zeigt sich schonungslos, was diese in den vergangenen Jahren so gefeierte Wirtschaft auch ist: auf Kante genäht.

Umso härter treffen sie die Folgen einer Politik, die über Jahrzehnte hinweg nicht ausreichend in die Infrastruktur investiert hat.

 

Die Deutsche Flugsicherung hat im Jahr 2018 fünf Millionen Minuten Verspätung verursacht. Matthias Maas erlebt das Tag für Tag. Maas ist Fluglotse und Vorsitzender der Gewerkschaft seiner Berufsgruppe. Er vertritt 4000 Beschäftigte, darunter die 1650 Lotsen, die den Luftverkehr über Deutschland lenken. Das Problem ist, dass es viel zu wenige Lotsen gibt. Um Kosten zu sparen, hat die bundeseigene Deutsche Flugsicherung (DFS) in den Jahren 2014 bis 2018 nämlich jedes Jahr rund 100 Mitarbeiter zu wenig ausgebildet. Selbst wenn die Lotsen heute mehr arbeiten, sind es zu wenige, es mangelt an Nachwuchs. Regelmäßig komme es daher zu Situationen wie der in Bremen, sagt Maas. »Es ist wie im Supermarkt. Wenn es sieben Kassen gibt und nur eine besetzt ist, bilden sich Schlangen.« Übertragen auf die Kontrollzentren der DFS heißt das: Ganze Lufträume musste die Flugsicherung schon schließen, weil die Mitarbeiter am Limit waren. Jeder Lotse ist für einen Sektor verantwortlich. Durch diese Sektoren fliegen Dutzende Maschinen pro Stunde. Fällt ein Lotse aus, werden Sektoren zusammengelegt. Ein Kollege schafft es dann vielleicht noch, 60 Flugzeuge zu leiten, aber niemals so viele, wie insgesamt in beiden Sektoren unterwegs sind. Der betroffene Luftraum wird dann von den Piloten umflogen. Und das sorgt für Verspätungen. - und für Umweltverschmutzung

Beeindruckende fünf Millionen Minuten Verspätung habe im Jahr 2018 allein die DFS verursacht, so Eurocontrol, die zentrale Koordinationsstelle für Flugsicherheit in Europa. Und das vor allem deshalb, weil ein paar Hundert Mitarbeiter fehlen. Dadurch dauert die Abfertigung der Flieger regelmäßig länger. Start- und Landeerlaubnisse werden später erteilt, die Maschinen stehen Schlange an der Rollbahn. Eine Sprecherin der DFS teilt der ZEIT dazu mit, die Behörde sei vom Wachstum im Flugverkehr überrascht worden: »Attraktive Lotsengehälter erfordern aber eine solide und vernünftige Personalplanung, um wirtschaftliches Handeln zu ermöglichen.« Maas hingegen hält den Sparkurs für fatal, weil die vergleichbar läppische Sparmaßnahme große Folgen hat. An seinem Arbeitsplatz in Düsseldorf erlebt er regelmäßig, dass Maschinen nicht mehr landen dürfen, weil sie nach einer Reihe von Verspätungen abends wegen des Nachtflugverbots ausweichen müssen. »Dann werden sie nach Köln umgeleitet und fliegen am nächsten Morgen ab 6 Uhr leer nach Düsseldorf, um wieder den Betrieb aufzunehmen. Das ist teuer und umweltschädlich«, sagt Maas.

Zur Wahrheit gehört auch, dass die Behörde die Vorgaben der EU-Kommission im Blick hat. Anfang Juni hat die Kommission vorgegeben, dass die jährlichen Kosten europaweit Jahr für Jahr um rund drei Prozent sinken sollen. Und da die Ausgaben der Flugsicherung zu 80 Prozent das Personal beträfen, sagt Maas, »werden wir ausgequetscht wie die Zitronen«. Die Folgen dieser Sparvorgaben treffen alle Flugpassagiere.

 

So wenig Personal wie möglich, selbst in Bereichen, die staatlich organisiert sind, das ist eine Erklärung dafür, warum in letzter Zeit kleine Ereignisse oft chaotische Folgen haben im Verkehr.

Eine andere hat ihren Ursprung gut elf Flugstunden von Düsseldorf entfernt.

Dort etablierte der Toyota-Manager Taiichi Ohno Anfang der Fünfzigerjahre ein neues Prinzip in Japan: die Just-in-time-Produktion. Fortan hatte Toyota den Anspruch, beim Automobilbau stets das richtige Produkt zur richtigen Zeit in der erforderlichen Menge bereitliegen zu haben – ohne große Lager mit Vorprodukten wie Reifen, Sitzen oder Motoren. Das wird mittlerweile auf der ganzen Welt so praktiziert. Unternehmen sparen dadurch Platz und Geld, weil sie keine unnötigen Teile vorhalten müssen.

Die Folgen sind bis in die Aachener Autowerkstatt zu spüren, wo seit dem 2. Mai der 2018 gebaute Seat Arona von Helga Hermanns steht. Schon vor Wochen listete ein Gutachter die zu beschaffenden Ersatzteile samt Bestellnummern auf. Doch einige fehlen bis heute. Etwa eine Anhängerkupplung und ein Sitzgestell. Weil sie nun schon seit Wochen auf ihr Auto wartet, setzte Hermanns den Mechanikern vor zwei Wochen eine Frist. Als diese verstrich, fuhr sie zur Werkstatt, verlangte die Herausgabe ihres Wagens. Sie drohte, so lange zu bleiben, bis sie mit dem Auto nach Hause fahren könne – und scheiterte. Volkswagen wurde im Jahr 2016 Opfer seiner zu geringen Lagerbestände.

Ein Mitarbeiter erklärte ihr, dass selbst bei einem relativ neuen Modell wie dem ihren weder die Werkstatt noch der Hersteller die benötigten Teile im Lager habe. Es könne daher noch Wochen dauern, ehe alles da sei. Der Mitarbeiter bestätigte der ZEIT die Darstellung.

 

Die effiziente Lieferkette ohne Lager beschert Unternehmen im Idealfall höhere Gewinne.

Sie kann sie aber auch Macht und Geld kosten. Volkswagen etwa wurde im Jahr 2016 Opfer seiner zu geringen Lagerbestände, als der Zulieferer Prevent den Konzern dazu zwang, höhere Preise für Sitzbezüge und Getriebeteile zu bezahlen, indem er die Produkte einfach nicht lieferte. Die Bänder in der Passat- und der Golfproduktion standen einige Tage lang still. Das kostete Volkswagen viele Millionen Euro. Und trotzdem blieb Volkswagen dem Prinzip des sogenannten single sourcing treu.

Der Konzern liefert sich aus Effizienzgründen einzelnen Unternehmen aus und riskiert im Zweifel den totalen Produktionsausfall.

 

Durch die Lieferungen nach Bedarf entstehen zudem Kosten, die die Allgemeinheit trägt: Auf Deutschlands Straßen wird es eng, weil der Lieferverkehr zunimmt. Im Grunde lagern die Hersteller ihre Teile rollend auf der Autobahn. Allein im Volkswagenwerk in Wolfsburg kommen täglich mehr als 2000 Lastwagen an, bei BMW in Dingolfing sind es rund 1000 und in Neckarsulm bei Audi 660. So geben die Werke den Effizienzdruck auf die Straße und damit auch an Horst Kottmeyer weiter.

Kottmeyer ist Geschäftsführer der gleichnamigen Spedition. Gegründet wurde das Unternehmen von seinem Großvater, sein Sohn ist gerade eingestiegen. 180 Lastwagen fahren für Kunden durch ganz Europa. Italien, England, Belgien wo immer sie gebraucht werden. Es sind sogenannte Jumpo-Transporter, in denen Güter besonders hoch gestapelt werden können. 120 Kubikmeter Ladevolumen, 24 Tonnen Nutzlast, Platz für 38 Europaletten. Kottmeyer ist viel für Automobilhersteller unterwegs, transportiert Sitze, Bleche und Kunststoffteile von den Fabriken, wo sie hergestellt werden, zum Werk, wo sie montiert werden. Drei Fahrzeuge verkehren täglich auf der Strecke von Zwickau nahe der polnischen Grenze nach Neckarsulm bei Heilbronn – und da wird es eng.

So wie an jenem Freitag Ende Juni. Nach gut vier Stunden am Steuer stand Kottmeyers Fahrer an der Großbaustelle am Weinsberger Kreuz 40 Minuten im Stau. Als er in Schrittgeschwindigkeit endlich die Ausfahrt Neckarsulm erreicht hatte, musste er auf dem nächsten Parkplatz 30 Minuten Pause machen, so sehen es die Lenk-und-Ruhe-Regelungen vor. Die Verspätung wuchs so auf 70 Minuten. Als der Fahrer das Werkstor erreichte, waren es 90 Minuten – der Lkw wurde dann am Freitagabend nicht mehr abgefertigt. Im Werk war Feierabend. Der Fahrer parkte den Laster und fuhr mit einem Mietwagen ins westfälische Bad Oeynhausen nach Hause. Abgeladen wurde erst am folgenden Montag. Der Lkw stand dann nicht für die geplante nächste Tour bereit, eigentlich sollte er da schon in Hamburg neue Ladung aufnehmen. Alles musste umgeplant werden, und das in einer eng getakteten Branche. »Das war ein richtig teurer Stau«, sagt Kottmeyer.

Auch Heiko Fischer musste erleben, dass ein sparsamer Staat sein Unternehmen ein Vermögen kostet. Fischer ist Chef der VTG, des größten europäischen Güterwaggon-Vermieters. Fast 100.000 Waggons seines Unternehmens transportieren Mineralöle, Getreide, Schüttgut, Container durch Europa. Es ist ein sperriges Geschäft auf dem geschlossenen System Schiene, bei dem es keine Schleichwege gibt. Das wurde Fischer am 12. August 2017 zum Verhängnis. Bei Tunnelbauarbeiten in Rastatt südlich von Karlsruhe senkten sich die darüberführenden Bahngleise. Die wichtige Nord-Süd-Bahntrasse war am Oberrhein plötzlich nicht mehr befahrbar. Die Strecke ist eine der wichtigsten Eisenbahn-Transportrouten Europas, sie verbindet die Seehäfen Rotterdam und Genua.

1020 Tankcontainer vom Norden Richtung Italien und in die entgegengesetzte Richtung konnten allein bei Fischers VTG nicht fahren; mehr als 30 Güterzüge blieben stehen.

Bis 2030 wird der Güterverkehr auf der Autobahn noch mal um 40 Prozent zulegen

Der Grund dafür: Es war kaum möglich auszuweichen, auch auf den Alternativrouten gibt es Probleme. Etwa auf der Strecke Schaffhausen–Radolfzell–Stuttgart. Dort gibt es Abschnitte ohne Oberleitung, sie sind nur mit Dieselloks befahrbar, zudem fehlen Überholgleise. Die Strecke Schaffhausen–Tuttlingen–Kornwestheim ist an einigen Stellen nur eingleisig befahrbar. Auf Strecken durch den Schwarzwald oder das Allgäu gibt es mancherorts ebenfalls keine Oberleitung, oder die Güterzüge sind schlicht zu schwer.

Fast zwei Monate blieb die Oberrhein-Strecke gesperrt. Gemäß einer für die Verbände der Schienenlogistik erstellten Studie verursachte das einen volkswirtschaftlichen Schaden von rund zwei Milliarden Euro, 1,7 Milliarden Euro davon entfielen auf die Unternehmen der Schienenlogistik. »Das war erbärmlich«, sagt Fischer.

Alle vier Jahre erhebt das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln die Meinung von Unternehmern und Managern zur Infrastruktur im Land. Das Ergebnis der letzten Studie vom vergangenen Jahr: »Gut 68 Prozent der befragten Unternehmen sehen sich regelmäßig durch Infrastrukturmängel in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt.« Andreas Backhaus, Leiter europäische Logistik bei der BASF in Ludwigshafen, ist denn auch einer unter vielen, wenn er sagt: »Deutschland lebt von seiner einst sehr guten Substanz bei der Infrastruktur. Im Ergebnis klafft eine beträchtliche Investitionslücke.« Für die BASF bedeutet das konkret, dass um das Werk herum Zufahrtsstraßen für den Schwerlastverkehr gesperrt sind, jeder Kilometer mehr kostet Geld.

In Zukunft wird es nicht besser. Bis 2030 wird der Güterverkehr auf der Straße um 38 Prozent zunehmen, hat das Bundesverkehrsministerium berechnet. »Das heißt, neben dem Zustand ist auch die Kapazität der Transportinfrastruktur ein zunehmender Engpass«, sagt Backhaus.

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Veröffentlicht am 13.07.2019

Meine Überschrift würde lauten: Das Problem selber erschaffen und dann ANDERE mit der Problemlösung beauftragen. Der EINE, wie der ANDERE bemerken aber nicht, wo wirklich angesetzt werden muss.

Beispiel: "Der Glyphosat-Wahnsinn"

 

Erst mal vorweg und ganz kurz von mir beschrieben, wie wenig hier von den Firmen, von der Politik und den Journalisten gedacht* wurde:

Die Automobilfirmen (und auch LKW-Hersteller) produzieren munter drauflos. Jeder will der Beste und Erfolgreichste sein. Dafür wurde den Menschen der Individualverkehr in aufwendigen Werbevideos und mit immer wieder neuen Modellen schmackhaft gemacht. Nun sind wir an Grenzen gekommen, die der einzelne Verkehrsteilnehmer deutlich mitbekommt. Die Mobilität wird durch die schiere Menge an PKWs und LKWs auf den Straßen und Autobahnen nicht mehr gefördert, sondern in den Ballungsgebieten schon stark eingeschränkt. Dort weicht man/frau schon auf das "schnellere" Verkehrsmittel - das Fahrrad oder den Roller/das Motorrad - aus.

Jetzt der wichtige Satz:

Je mehr die Automobilfirmen und LKW-Hersteller an Fahrzeugen produzieren, umso mehr wird ihre eigene Effektivität der Produktion eingeschränkt, weil der Nachschub über die Straße nicht mehr klappt durch zu viele PKWs und LKWs auf den Straßen. Hier die Politik zu fordern und weitere und breitere Straßen zu fordern, das ist eindeutig der falsche Weg, das ist Wahnwitz und Irrsinn. * das DenKen ist mein Spezialthema

 

Und jetzt lies Dir bitte den Aufruf Nr. 1 zum Wohle der Kinder durch "Sucht die 5 Weisen in jedem Land"

 

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Hier geht es weiter zu "Andauernder Wahnsinn Glaube Seite 1"

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